bild 1 einer Serie: Isabelle Welter und Ruppert Henning im Stiegenhaus in der Kirchengasse
bild 2 einer Serie: Isabelle Welter und Ruppert Henning im Stiegenhaus in der Kirchengasse
bild 3 einer Serie: Isabelle Welter und Ruppert Henning im Stiegenhaus in der Kirchengasse
bild 4 einer Serie: Isabelle Welter und Ruppert Henning im Stiegenhaus in der Kirchengasse

Gute Geschichten

Laut dem französischen Schriftsteller und Philosophen Albert Camus ist es nicht die Aufgabe der Kunst, die Welt oder die Menschheit zu verwandeln. Dafür besitzt sie, so Camus, weder genügend Tugend noch genug Weisheit. Aber ihre Aufgabe besteht vielleicht darin, an ihrem Platz den wenigen Werten zu dienen, ohne die auch eine verwandelte Welt nicht lebenswert ist und ohne die auch ein neuer Mensch keine Achtung verdient.

Filme erzählen von inneren und äußeren Welten. Sie machen Ungleichgewichte, Schönheiten, Brüche, Spannungsfelder, Widersprüche, Konflikte und Wandlungen erfahrbar. Sie zeigen das Gelingen und Scheitern von Erlebnissen, Ideen und Taten.

Gute Geschichten beziehen ihre Kraft unter anderem aus dem Handeln unverwechselbarer Charaktere, aus intensiven Emotionen, dem Reflektieren von Identität, aus erkennbaren Verortungen und dem gleichzeitigen Anspruch, überregional verstanden zu werden.

Wenn ein Film die Anteilnahme des Publikums an seinem Geschehen, an der Geschichte und dem Geschick der handlungstragenden Figuren bewirkt, hat er seinen Zweck erfüllt. Denn dann erweitert er unser Bewusstsein.

Manchmal entspringen die Geschichten, die ein Film in Form laufender Bilder erzählt, der eigenen Fantasie, manchmal der Realität. Manche Geschichten fallen einem überraschend ein, nach anderen sucht man bewusst, stöbert sie auf oder erfindet sie frei und unter Zuhilfenahme der eigenen Vorstellungsgabe. Manche schüttelt man leicht aus dem Ärmel, manche ringt man sich ab. Nicht wenige sind Variationen anderer - und andere wiederum sind dermaßen eigen, dass sie einem selbst unwahrscheinlich erscheinen. Gelegentlich gibt es Geschichten, die man nicht (er)findet, sondern von denen man gefunden wird.

Gleich nach der Idee oder der ersten Begegnung, also am Beginn der Arbeit, tauchen stets Bilder, Sätze und Empfindungen auf. Eigene und fremde. Das ist eine Erkenntnis, die der irische Schriftsteller Colum MacCann in folgende Worte fasste: „Unsere Stimme entsteht aus den Stimmen anderer. Unsere Geschichten gehen auf zahllose Geschichten anderer zurück.“

Ein Film, der aus solchen Geschichten entsteht, muss, wie wir meinen, letztlich eine eigene, eine andere, eine neue Geschichte werden.

Aber die verschiedenen Stimmen können dennoch darin zu hören sein.